Über saftige Wiesen

Die Feuchtlebensräume

Moore im Wittelsbacher Land

Moore sind der Inbegriff einer schwer zugänglichen und unkultivierten Landschaft. Lange waren sie tatsächlich Rückzugsort für seltene Tier- und Pflanzenarten, aber auch für manchen Sonderling oder Ganoven. In der historischen Moorkarte Bayerns sind im Wittelsbacher Land mehrere Moorgebiete verzeichnet, die als Niedermoore alle mit dem Grundwasser in Kontakt stehen. Darunter befinden sich die Schotterplatten-Quellmoore am Lechtalrand zwischen Kissing und Todtenweis-Meitingen, Überflutungs- und Auenmoore im Paar- und Ecknachtal sowie Schichtquellmoore im Hügelland, wie das Silberbrünnl. Eine außerordentlich große Fläche umfasst das Donaumoos, das mit einem kleinen Teil bei Pöttmes ins Wittelsbacher Land reicht.

Die von Nässe geprägten Moorböden wurden von den Menschen lange nicht genutzt. Sie eigneten sich weder für die Anlage von Siedlungen noch konnten sie lohnend bewirtschaftet werden. Erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts gingen Moorstandorte im Lechtal, im Hügelland und im Donaumoos durch Meliorationsmaßnahmen, die den Torfschwund beförderten, verloren. Um 1900 beispielsweise begann die Kultivierung des östlichen Lechtals, das unter den Bezeichnungen Derchinger Moos, Lechhausener Moos und Mühlhausener Moor bekannt war. Aktuell gelten deutschlandweit nur noch circa ein Prozent aller Moore als ökologisch intakt. Diese intakten Moore vermögen bis zu 95 Prozent Wasser zu speichern. Je nach Entstehung, Einfluss von Grund-, Oberflächen- sowie Niederschlagswasser, Nutzung und Stoffeinträgen entwickeln sich spezifische und oftmals hochdifferenzierte Feuchtbiotope, die zu den wertvollsten Lebensräumen Bayerns gehören. Manche dieser, von Naturliebhabern hoch geschätzten Flächen warten mit einem außergewöhnlichen Arten- und Lebensrauminventar auf. So gehören streugenutzte Moorwiesen, etwa Knollendistel-Pfeifengraswiesen oder Davellseggenriede, zu den floristisch reichhaltigsten Pflanzengesellschaften im Wittelsbacher Land. Hier wachsen Pfeifengras, Knollige Kratzdistel  und Mehlprimel ebenso wie der seltene Duft-Lauch, die Sumpf-Gladiole oder das Sumpf-Glanzkraut.

Feuchtwiesen

Auch jenseits der Moore trifft man entlang von Bächen, auf überschwemmten Standorten oder in grundwassernahen Mulden auf feuchte Wiesen. Erfolgt eine regelmäßige Mahd bei nur geringer Düngung, können sich hier artenreiche Kohldistel-, Sumpfdotterblumen-, Wiesenknopf-Silgenwiesen oder Engelwurz-Kohldistelwiesen entwickeln. Vor allem im Ecknachtal findet sich eine hohe Dichte an Trollblumenwiesen. Die Trollblume gehört wie das Breitblättrige Knabenkraut, eine heimische Orchideenart, zu den gleichermaßen typischen wie attraktiven Arten der feuchten Wiesen im Wittelsbacher Land.

Kennzeichnende Tierarten extensiv bewirtschafteter Moore und Feuchtwiesen sind der Große Brachvogel, der Wiesenpieper und das Blaukehlchen, die allesamt im Donaumoos vorkommen und brüten. Auch der Weißstorch, der auf die feuchten offenen Flächen zur Nahrungssuche angewiesen ist, konnte sich in den letzten Jahrzehnten wieder etablieren. Seine Horstplätze befinden sich stets im Umfeld weitläufiger Niederungen mit Feuchtwiesen, so im Paartal und im Donaumoos. Ursprünglich brütete der Kiebitz im Wittelsbacher Land auf feuchten sumpfigen Wiesen oder Lechinseln. Mit dem Verlust dieser Lebensräume wich die Art teilweise auf Ackerflächen aus, bedauerlicherweise jedoch mit rückläufigem Bestandstrend.

Auch unter den Insekten gibt es eine Fülle von Arten, die auf extensiv genutztes Feuchtgrünland angewiesen sind. Eine ausreichende Bodenfeuchte von Herbst bis Frühjahr zum Beispiel ist Voraussetzung für das Vorkommen der im Hügelland sehr seltenen Sumpfschrecke. Deren charakteristische Knipslaute hört man am wahrscheinlichsten in der Zeit von Mitte Juli bis Mitte September.
Unterbleibt die turnusmäßige jährliche Nutzung von Feuchtwiesen, können sich feuchte Hochstaudenfluren, Röhricht oder Großseggenriede entwickeln. Oftmals finden wir diese Pflanzengesellschaften im Umgriff von Stillgewässern oder entlang von Bächen und Gräben, wo sich eine Bewirtschaftung des feuchten Untergrunds besonders schwierig gestaltet. Eine Reihe von Vogelarten, darunter der seltene Drosselrohrsänger oder der Teichrohrsänger, sind auf solche Röhrichtflächen als Brutplatz angewiesen. Feuchte Hochstaudenfluren werden von bestimmten Tagfaltern als Nahrungs- oder Fortpflanzungshabitat aufgesucht.

So besiedelt der stark gefährdete Randring-Perlmuttfalter vor allem Nasswiesen und feuchte Hochstaudenfluren mit Vorkommen des Schlangen-Knöterichs, welcher Raupenfutterpflanze und wichtigste Nektarquelle darstellt. Verschwindet diese Pflanze, sei es durch Entwässerung des Wuchsortes, eine zu häufige Mahd oder zu starke Nährstoffeinträge, so büßt der Schmetterling seinen Lebensraum ein. Erst 2006 gelang der Erstnachweis dieser Art im Wittelsbacher Land an einer Stelle im Paartal.

Bei dauerhafter Brache und Nährstoffeintrag verarmen diese Sukzessionsstadien an Arten und machen stickstoffliebenden Pflanzen wie der Brennnessel, Neophyten wie dem Drüsigen Springkraut, oder aufkommenden Gehölzen Platz.

Titelbild: Die rosafarbenen Blüten der Kuckucks-Lichtnelke (Silene flos-cuculi) und die gelben des Scharfen Hahnenfußes (Ranunculus acris) prägen im Frühjahr das Bild vieler Feuchtwiesen. Foto: Stefan Gerstorfer

Bild oben: Der Schlangen-Knöterich hat Besuch: Ein Randring-Perlmuttfalter (Boloria eunomia) saugt Nektar. Foto: Gerhard Mayer

Bild Mitte-oben: Der Kiebitz. Foto: Gerhard Mayer

Bild Mitte-unten: Die Mehlprimel (Primula farinosa) ist typisch für Kalk-Quellmoore. Foto: Adolf Fischer

Bild unten: Dunkler Wiesenknopf-Ameisenbläuling (Phengaris nausithous) auf einem Wiesenknopf (Sanguisorba officinalis). Foto: Gerhard Mayer