Wenig Erde, viel Farbe

Die Trockenlebensräume

Überraschenderweise beherbergen karge, wenig ertragreiche Böden im Wittelsbacher Land den floristisch herausragendsten Naturschatz. Angesichts des sich im Frühjahr entfaltenden Blütenmeeres mutet es eigentümlich an, dass diese Vegetation durch die Anpassung der Pflanzen an die ungünstigen Wuchsbedingungen auf den trockenen Standorten entstanden ist.

Die Natur hat Vorkehrungen getroffen, damit diese Überlebenskünstler auf den Sonne, Frost und Wind ausgesetzten, trockenen und im Sommer heißen Standorten überleben können. Ein niedriger, zuweilen am Boden angeschmiegter Wuchs, verholzte Triebe oder kleine, fiedrige, gerollte, ledrige, behaarte oder wachsbereifte Blätter sind Eigenschaften, die die Verdunstung auf ein Mindestmaß reduzieren. Ein dicht verzweigtes, tief reichendes Wurzelsystem hilft, die verfügbaren Wasserressourcen möglichst effizient zu nutzen und dadurch auch Trockenperioden überdauern zu können.

Die Flussschotterheiden am Lech

Das Lechtal mit seinen großflächigen Schotterfeldern bot trockenheitsresistenten Pflanzen seit jeher eine ideale Wanderroute von den Alpen bis zur Schwäbischen und Fränkischen Alb. In der eiszeitlichen und nacheiszeitlichen Florenentwicklung dürften auf diesem Weg sowohl alpine Schwemmlinge nach Norden gelangt, als auch Pflanzen flussaufwärts gewandert sein. Das Lechtal bildet somit eine wichtige Florenbrücke, welche die Alpen mit dem Donauraum verbindet.

Bedingt durch die Lage als eiszeitlicher und nacheiszeitlicher Verkehrsknoten koexistieren hier Arten dreier Florenregionen in einmaliger Weise. Zu den alpinen Elementen gehören beispielsweise das Kriechende Gipskraut und die Immergrüne Segge. Kontinentale Florenelemente aus den Steppen Südosteuropas finden sich mit der Grauen Skabiose, dem Kreuz-Enzian und der Kalk-Aster, während zahlreiche Orchideen, darunter die Pyramiden-Spitzorchis und verschiedene Ragwurz-Arten ihren Verbreitungsschwerpunkt im submediterranen Raum, südlich der Alpen, haben.
Untersucht man die Verbreitungsmuster bestimmter Pflanzen innerhalb Bayerns, stößt man auf weitere Besonderheiten. So beschränken sich die Wuchsorte mancher Arten weitgehend auf das Lechtal. Zu diesen ausgesprochenen Lech-Pflanzen gehören der Klebrige Lein und die Graue Skabiose. Andere Arten, wie der Rauhaarige Alant oder das Alpen-Lungenkraut, besitzen entlang des Lechs einen Verbreitungsschwerpunkt, sind jedoch auch andernorts, wenn auch selten, anzutreffen.

Die sogenannten Flussschotterheiden entlang des Lechs gehören zu den artenreichsten Biotopen Bayerns. Der Augsburger Botaniker F. Hiemeyer konstatierte deshalb, dass wohl kaum ein deutscher Fluss in seiner unmittelbaren Nachbarschaft eine solche Pflanzenvielfalt erkennen lässt. Im Wittelsbacher Land sind heute noch die Sander und die Kissinger Heide erhalten. Im Augsburger Raum finden diese mit der Dürrenast-, der Schießplatz- und der Königsbrunner Heide ihre Fortsetzung.

Die Magerrasen im Hügelland

Auch im Hügelland finden sich warme, trockene und nährstoffarme Standorte. Werden diese in traditioneller Weise, also weitgehend düngungsfrei bewirtschaftet und turnusmäßig gemäht und/oder beweidet, entstehen artenreiche Magerrasen und Magerwiesen mit einer hohen Vielfalt an Blütenpflanzen. Standortbedingt unterscheiden sich die von Flinzsanden beeinflussten und sonnenexponierten Magerrasen des Hügellandes deutlich von denen des Lechtals. Hier blühen Pechnelke, Büschel-Nelke, Heide-Nelke, Rundblättrige Glockenblume, Berg-Sandglöckchen, Dreizahn und Acker-Wachtelweizen. Auch manche Insekten, wie der Warzenbeißer und der Verkannte Grashüpfer scheinen eine ausgeprägte Vorliebe für Trocken-lebensräume im Hügelland zu haben. Beide fehlen dagegen auf den Heidestandorten im Lechtal.

Die Flugsandfelder bei Schnellmannskreuth

Die Landschaft am südlichen Rand des Donaumooses, in der Umgebung von Schnellmannskreuth und Inchenhofen,  unterscheidet sich augenfällig vom Rest des Hügellandes. Sie ist geprägt von Spargelanbau und Kiefernwäldern. Dieses Phänomen lässt sich auf die eiszeitlich und nacheiszeitlich entstandenen Flugsandfelder zurückführen. Aus dem zu dieser Zeit noch lückig bewachsenen Boden des Voralpenlandes wirbelten starke Winde Sand auf und verfrachteten ihn entsprechend der Hauptwindrichtung nach Nordosten, wo er an windabgewandten Stellen, wie hier, aufgehäuft wurde.

Der körnige Sandboden speichert Regenwasser nur schlecht. Hier braucht es spezielle Eigenschaften, um zu überleben. Die Kiefer mit ihrem tief reichenden Wurzelsystem vermag auf Grundwasser in tieferen Bodenschichten zurück zu greifen und kommt deshalb gut mit der oberflächennahen Trockenheit zurecht.

Da in der Region die Sandflächen eher rar sind, stellen die Sand-Kiefernwälder bei Schnellmannskreuth innerhalb Schwabens eine Besonderheit dar. Das Wittelsbacher Land besitzt hier ein Alleinstellungsmerkmal und damit einen besonderen Ausdruck regionaler Identität. Auch die typischen Sandrasenarten wie der Kahle Bauernsenf, das Gelbliche Filzkraut, der Heide-Ehrenpreis  oder der Kleine Vogelfuß sind deshalb regional einzigartig.

Titelbild: Ein Spezifikum der Lechheiden sind wechselfeuchte Ausbildungen der Kalkmagerrasen - hier ein farbenprächtiger Blütenflor aus pinker Sumpf-Gladiole (Gladiolus palustris) und gelbem Ochsenauge (Buphthalmum salicifolium). Foto: Stefan Gerstorfer

Bild oben: Der Klebrige Lein (Linum viscosum) ist eine typische Lechtalart, die anderswo kaum mehr vorkommt. Foto: Stefan Gerstorfer

Bild Mitte-oben: Der Stängellose Enzian (Gentiana clusii) bringt im Frühjahr Farbe auf die noch kahlen Heideflächen. Foto: Adolf Fischer

Bild Mitte-unten: Im Juni bedeckt ein bunter Blütenflor die Schaezler-Wiese. Foto: Stefan Gerstorfer

Bild unten: Der Wilde Majoran (Origanum vulgare) besiedelt die südexponierten Ranken bei Handzell. Foto: Stefan Gerstorfer