Haben wir eine besondere Beziehung zum Wald? Ja. Dafür sprechen zahllose Märchen, Sagen, Volkslieder und Gedichte, die den Wald in ihren Mittelpunkt stellen. Die Rolle des Waldes als Sehnsuchtslandschaft und Metapher wurde besonders zu Zeiten der Romantik in Gedichten, Sagen und Märchen facettenreich beschrieben. Schon bald wurden Wälder als wichtiges Element deutscher Kulturlandschaft anerkannt. Mit der weiteren intensiven Auseinandersetzung und Bewusstseinsschärfung gelangten dann kritische Themen wie das Waldsterben, aber auch das umweltpädagogische Potenzial des Waldes ins Bewusstsein.
Der Wald bietet Schutz für unsere natürlichen Lebensgrundlagen Wasser, Boden und Luft. Er liefert Holz als nachwachsenden Rohstoff und erfüllt Erholungsansprüche der Bevölkerung. Nicht zuletzt ist er ein bedeutender Lebensraum für Pflanzen und Tiere. Ein differenziertes System an Kleinstlebensräumen reicht von den oberen Baumschichten über die Strauch- und Krautschicht bis hinunter in den Wurzelraum im Erdreich.
Dabei haben die strukturarmen Wirtschaftswälder einen eher geringen Stellenwert für den Artenschutz. Naturnah bewirtschaftete Wälder übernehmen dagegen eine wichtige Funktion als Lebensraum zahlreicher, auch seltener und hochspezialisierter Pflanzenund Tierarten. Dies gilt vor allem, wenn sie großflächig unzerschnittene, weitgehend störungsarme Räume bieten und auf feuchten, mageren oder trockenen Sonderstandorten wachsen. Ein lichter Bestand sowie ein hoher Anteil an Alt- und Totholz zeichnen naturnahe Wälder aus.
Der lange Weg zum heutigen Wald
Zu den ersten Bäumen in der nacheiszeitlichen Vegetationsentwicklung gehörten Birken und Kiefern. In Folge der zunehmenden Erwärmung herrschte zwischenzeitlich die Hasel vor, später dann abgelöst durch Eichen-Mischwälder. Erst mit der nachfolgenden Abkühlung des Klimas gelangte schließlich die Buche zur Vorherrschaft. Mit der Jungsteinzeit lösten sesshaft werdende Bauern die vormals nomadisierenden Jäger und Sammler ab, der Besiedlungsprozess setzte ein. Die bis dahin relativ geschlossenen Wälder im Hügelland wurden allmählich zurück gedrängt.
Im Zuge der kulturlandschaftlichen Entwicklung im Lechtal wandelten sich die vormals schon lichten, überwiegend von Kiefern bestandenen Wälder abseits des Flusses unter dem Einfluss von Rodung und Beweidung einerseits und dem alpin geprägten Hochwassergeschehen andererseits zu weithin baumlosen Heiden. Mit den technischen Voraussetzungen begannen im 19. Jahrhundert größere Flussregulierungen am Lech, die zu starken Veränderungen der Vegetation führten. Da die jahrhundertelang betriebene Beweidung zurückging, nahm entlang des Lechs der Waldanteil zu Lasten der bedeutsamen Offenlandlebensräume sogar zu.
Stark gewandelt haben sich Art und Intensität der Forstwirtschaft gegen Ende des 18. Jahrhunderts. Ab dieser Zeit wurden vielerorts vergleichsweise ertragsarme Laubwälder durch Nadelholzbestände ersetzt. Ende des 19. Jahrhunderts betrug der Fichtenanteil in den Wäldern des Wittelsbacher Landes bereits 70 Prozent. Nach den negativen Erfahrungen mit monostrukturierten Nadelwäldern wird heute der Förderung von Mischwäldern wieder stärkeres Gewicht eingeräumt.
Und was passiert, wenn wir der Vegetation ihren Lauf ließen? Unter den gegebenen natürlichen Bedingungen und ohne den menschlichen Einfluss wäre das Landschaftsbild von Wäldern geprägt, wobei sich auf den meisten Standorten nicht die so verbreitete Fichte, sondern die Rotbuche als konkurrenzstärkste Art durchsetzen würde. Die vielfältige Kulturlandschaft des Wittelsbacher Landes, also eine Mischung aus Wäldern, Feldern, Wiesen und Siedlungen, ist dagegen das Ergebnis einer Jahrhunderte alten Nutzungsgeschichte.
Der Wald im Wittelsbacher Land
Heute weist das Wittelsbacher Land einen Waldanteil von gut 24 Prozent auf. Das liegt knapp unter dem Durchschnitt der Region Augsburg von 26 Prozent und deutlich unter dem bayerischen Durchschnitt von 35 Prozent. Der vergleichsweise geringe Waldanteil spiegelt die günstigen landwirtschaftlichen Ertragsbedingungen wider. In den vom Löss geprägten, fruchtbaren Landschaftsräumen beschränkt sich der Wald vor allem auf die weniger ertragreichen Hügelkuppen sowie steilere Hanglagen.
Zu den größten Waldgebieten im Wittelsbacher Land gehören der Eurasburger- und Derchinger Forst mit Bernbacher Wald sowie der Ebenrieder Forst. Diese intensiv genutzten Forste werden überwiegend von Fichten dominiert. Vom Menschen unbeeinflusste Urwälder existieren nicht mehr. Einige Wälder jedoch kommen ihrer ursprünglichen Ausprägung noch recht nahe und zeichnen sich durch ein hohes Maß an Naturnähe und Vielfalt aus. Diese finden sich vor allem entlang des Lechs und der Paar (Auwälder), entlang der Lechleite (Hangwälder) sowie vereinzelt auf Sonderstandorten im Hügelland (Feuchtwälder).
Entlang des Lechs, bei Todtenweis im Norden und bei Unterbergen im Süden, erstrecken sich Auwälder, die mit ihren eingestreuten Flussschotterheiden zu den wertvollsten Lebensräumen im Wittelsbacher Land zählen. Schneeheide-Kiefernwälder gehören zu den floristisch herausragenden Vegetationstypen am Lech. Sie wachsen auf grobschottrigen Standorten. Die verloren gegangene Flussdynamik verhindert jedoch eine natürliche Verjüngung, da keine neuen natürlichen Aufschotterungsflächen mehr entstehen. So wandelt sich dieser Waldtyp allmählich zum Pfeifengras-Kiefernwald, in dem sich zahlreiche Blütenpflanzen der ursprünglichen, mager-trockenen Standorte nicht mehr gegen die wuchsstärkere Konkurrenz behaupten können.